… schreibe ich Thriller und Krimis?
»Die Realität ist hart genug, ich will davon nichts lesen«, höre ich manchmal von durchaus beflissenen Lesern. Oder: »Ich lese keine Krimis, sondern nur richtige Literatur.«
Nun – ich will dem nicht entgegentreten, denn schließlich darf jede(r) lesen was er (sie) will – aber, Sie ahnen es, ich habe Einwände.
Zum ersten ist die Realität es wert, beschrieben zu werden. Denn sie ist auch für engagierte Ermittler hart, viel härter, als es die meisten von uns aus Film und Fernsehen zu kennen glauben. Die echten Polizisten residieren nicht in großzügig ausgestatteten Dienststellen, die DNA-Probe wird nicht innerhalb von zwei Stunden ausgewertet und bis die digitale Forensik eine Festplatte ausgewertet hat vergehen oft Monate. Nein, sie haben enge Büros, veraltete Technik und oft genug Vorgesetzte, die sich nur für ihre eigenen Karrieren interessieren. Sie haben täglich mit dem Bodensatz einer Gesellschaft zu tun, an deren Zusammenhalt die wenigsten von ihnen glauben und nur die Stärksten unter diesen wenigen sind in der Lage, sich nicht den einfachen Antworten der selbst ernannten Aufräumer seitens der Politik zuzuwenden. Und sie sind frustriert, weil das Arschloch, das sie gerade auf frischer Tat festgenommen haben, ihnen ein halbes Jahr später wieder Schwierigkeiten bereitet – auf freiem Fuß, noch nicht angeklagt, geschweige denn verurteilt.
Zum zweiten – Krimis können Unterhaltung und Literatur. Denn was sonst ist es, eine fiktive Straftat oder eine Ermittlung derselben zu beschreiben und diese mehr oder weniger spannend, witzig u.s.w. auszuschmücken? Schließlich gibt es in Deutschland nur wenige Tötungsdelikte, davon sind echte Morde fast so selten wie auf dem Mond. Aber wir Autoren benutzen dieses ungebrochene Interesse an spannenden Mordfällen, um Ihnen ein gutes Leseerlebnis zu bescheren. Außerdem möchte ich denjenigen aus dem oben genannten Bodensatz eine Stimme geben, denn auch wenn sie vielleicht selbst verschuldet in ihre missliche Lage gekommen sind, gehören sie doch zu eben jener Gemeinschaft, von der wir so gerne reden – oder sollte ich träumen sagen? Egal, das alles bedeutet jedenfalls nicht, dass wir, dass ich, die Realität ignoriere(n). Oder, um es mit einem Zitat von Raymond Chandler, einem der Begründer des realitätsbezogenen Kriminalromans zu sagen:
„Wahrscheinlich sind alle Schriftsteller irgendwie verrückt, aber wenn sie was taugen, dann sind sie, glaube ich, auch ganz schrecklich ehrlich.“